Mittwoch, 9. Mai 2012

Michel Houellebecq: Karte und Gebiet

416 S., Büchergilde Gutenberg, 18,90 €, ISBN 978-3-7632-6437-7

Seit Jahren schon steht "Elementarteilchen" auf meiner "Unbedingt-Lesen"-Liste. Nun ist aber doch der neue Houellebecq mein erster geworden. Hochgelobt als das Buch der Saison (letztes Jahr) und dergleichen, war ich doch sehr gespannt auf dieses Buch.

Und ich muss sagen, es läßt mich ratlos und zwiespältig zurück. Ja: ich kann nachvollziehen, daß man in diesem Roman die Dekadenz unserer heutigen Konsumgesellschaft wunderbar erkennen kann. Auch die Gefühlskälte und überhaupt die Sinnentleertheit der Menschen der westlichen Welt. Aber Houellebecq ist mir in seinem Anliegen zu vordergründig und oft auch zu banal.

Aber erst einmal zur Story: Jed Martin ist bildender Künstler, der sich über die Fotokunst, über Porträts bedeutender Persönlichkeiten sowie die Darstellung typischer Menschen in unterschiedlichen Berufen, einen Namen in der Kunstszene macht.

Im Allgemeinen scheint Jed sein Erfolg ziemlich kalt zu lassen. Geld ist auf der einen Seite nicht so wichtig für ihn, auf der anderen kann er damit einfach seinem trägen Leben weiter nachgehen. Beachtlichen Ruhm und somit zu einem Millionenverdienst kommt er über eine Serie von Gegenüberstellungen von Satellitenaufnahmen und den entsprechenden Verkehrskarten, wobei letztere im Vergleich immer die bedeutend ästhetischere Form ist. Allein dieser Umstand ist Houellebecqs Kernaussage: die Welt ist nicht so toll, wie sie oben betrachtet verkauft wird. Oder auch: "Der Schein trügt."

Jed Martins Leben plätschert so dahin, bis er für eine Ausstellung ein Vorwort für den Ausstellungskatalog benötigt. Den wiederum soll der berühmte Schriftsteller Houellebcq schreiben. Und ihn zu überreden, fährt Martin zum Autor nach Irland. Die beiden sind sich auf Anhieb sympathisch und Martin verspricht dem Schriftsteller, ein Porträt von ihm zu malen und als Bezahlung zu schenken (immerhin ist das Bild bald mehrere Millionen wert).

Beide Künstler vereint die Müdigkeit ob des Konsumterrors. Während Houellebecq um ein paar Gegenstände trauert, die er immer wieder kaufen würde, die aber nicht mehr produziert werden, so mag Jed Martin lange Zeit nicht aus seinem heruntergekommenen Atelier ziehen, sondern legt sich lediglich einen Audi mit Tempomat zu. Überhaupt werden ziemlich viele Produkte in diesem Roman unter die Lupe genommen und beim Namen genannt. Nachfolgende Generationen werden bald nicht mehr nachvollziehen können, was der Autor uns hiermit sagen wollte.

Während Jed im ganzen Roman nicht wirklich glücklich ist (auch die Liebe zu Olga scheint in Wahrheit oberflächlich und kühl), findet Houellebecq in seinem Elternhaus auf dem Land sein Glück und seinen Frieden.

Dieser jedoch wird aus habgierigen Gründen bald zerstört, denn der Schriftsteller wird ermordet aufgefunden und das Porträtbild ist verschwunden. Nun hält auch noch ein Kriminalfall Einzug in das Buch. Für mich völlig unzusammenhängend, philosophieren manche Feuilleton-Kritiker über das "Vexierbild" der eigenen Sterblichkeit. Der Autor, der sich selbst zum eigentlichen Star seines Buches macht und sich auch noch sterben läßt, hat einen Kunstgriff getan, um die großen Themen unserer heutigen Gesellschaft zu erzählen.

Für mich ist dies alles an den Haaren herbeigezogen. Die Kriminalhandlung als solche ist schwach, die Kommissare dröge wie die anderen Protagonisten (was wohl auch so beabsichtigt ist!). Zu sehr schwingt mir in dem ganzen Roman die moralische Keule gegen den Konsumterror und die Hetzjagd nach dem Geld daher. Zuviele Puzzlestücke werden hervorgekramt, die nicht zusammenpassen wollen, auch wenn die Absicht dahinter gut war.

Immerhin ist "Karte und Gebiet" unterhaltsam zu lesen. Man erwartet auch spätestens ab der Krimihandlung noch packende Zusammenhänge, die das Lesen vorantreiben. Leider bleiben diese aber aus und verlaufen ins Leere.

"Elementarteilchen" möchte ich dennoch irgendwann lesen. Der vorliegende Roman läßt mich noch hoffen.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen