520 S., Berlin Verlag, 22,90 €, ISBN 978-3-8270-0989-0
Auf der Leipziger Messe war mein Highlight das Interview mit Zeruya Shalev zu ihrem neuen Buch "Für den Rest des Lebens", welches ich mir natürlich vor Ort auch gleich zulegen musste.
Shalevs vorhergehende Werke "Mann und Frau", in der es um eine Trennung eines Paares nach vielen Jahren geht; "Liebesleben", worin die Autorin die obsessive Liebe einer jungen Frau zu einem wesentlich älteren Mann beschreibt und "Späte Familie", die Geschichte einer sich neu findenden Patchwork-Familie haben mich alle begeistert und so kann man mich getrost als Fan der israelischen Star-Autorin bezeichnen.
Umso gespannter war ich auf ihren neuen Roman und bin nicht enttäuscht worden. Die Geschichte vereint die Geschichte dreier Familienmitglieder: der Mutter Chemda, die dem Ende ihres Lebens entgegen sieht und dieses Revue passieren läßt und versucht, ihren Frieden mit dessen Verlauf, den sie lange Zeit in einem Kibbuz verbrachte, zu finden. Der zweite Hauptdarsteller ist Chemdas Sohn Avner, den sie mehr liebte als ihre Tochter Dina, die Dritte im Bunde.
Avner hadert mit seinem Leben. Obwohl er als erfolgreicher Anwalt für Menschenrechte arbeitet und eine Familie mit zwei Söhnen hat, ist er zutiefst unzufrieden, möchte ausbrechen aus einer lieblosen Ehe, die er viel zu früh eingegangen ist. Er möchte am Ende seines Lebens mit Liebe aus demselben scheiden, so wie er es am Nachbarbett seiner kranken Mutter im Krankenhaus bei einem Paar erleben durfte. Er verliebt sich in die zurückbleibende Geliebte des Sterbenden, sie ist für ihn aber unerreichbar.
Dina ist die ungeliebte Tochter und liebt vielleicht deshalb ihre einzige eigene Tochter umso mehr. Weil sie deren Zwilling noch vor der Geburt verlor und weil die Tochter sich im pubertären Alter immer mehr von ihr entfernt, entsteht bei ihr der unausweichliche Wunsch nach einem weiteren Kind. Und da sie bereits in dem Alter ist, wo ihr eigene Kinder nicht mehr vergönnt sind, möchte sie ein fremdes Kind adoptieren. Mit diesem Wunsch stößt sie jedoch auf steinharten Widerstand bei ihrem Mann und zuerst auch bei der Tochter.
Zeruya Shalev zeigt in allen drei Mitgliedern die tiefe Verbundenheit mit der eigenen Familie, egal, ob man versucht, die Verbindung zu kappen, egal wie enttäuscht man manchmal ist. Am Ende ist diese Verbindung stärker als alles Andere und hilft über Krisen hinweg.
Wie tief blickt die Autorin in die Seelen ihren Figuren, macht Unverständliches verständlich. Ich bewundere dieses psychologische Einfühlungsvermögen und staune, wie Shalev es in all ihren Büchern schafft, den Kern menschlichen Handels zu erspüren. Als Leser findet man sich in allen Personen wieder: im Zweifel, in der Hoffnung, im Hadern und in der Emanzipation. Ich trage all dies in irgendeiner Form selbst in mir, kenne Situationen, in denen ich ähnlich empfunden oder gedacht habe. Und daraus entsteht eine tiefe Verbundenheit mit den Figuren, die einen auch lange nach Beenden der Lektüre noch nachklingen.
Ich kann allen nur wärmstens die Werke von Zheruya Shalev ans Herz legen. Wer sie noch nicht entdeckt hat - es wird Zeit.
Klingt interessant und wäre sich auch für mich etwas. Danke für die Rezi.
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