Freitag, 7. September 2012

Hermann Hesser: Der Steppenwolf

184 S., Aufbau Verl., 1986

Hesses Klassiker wird nach wie vor vorwiegend von jungen Menschen gelesen. Ich selbst habe Jahre gebraucht, das in meinem Bücherregal stehende Werk zur Hand zu nehmen. Und das war gut so! Man muss sich Zeit nehmen für den "Steppenwolf".

Ich kann verstehen, dass gerade Jugendliche, die rebellisch sind und sich abgrenzen wollen von den bürgerlichen Elternhäusern, in dem Roman sich selbst sehen. Aber Harry Haller ist selbst gar nicht mehr jung, er ist gezeichnet vom Leben, von Erfahrungen, von Enttäuschungen. SeineTraurigkeit, seine "Krisis" - wie Hesse selbst schreibt - ist erst entstanden durch die jahrelange Frustration über die kranke, satte Welt. Und dies kann ein junger Mensch ohne Lebenserfahrung noch nicht so wahrnehmen, wie ein Leser in mittleren Jahren.

Das Werk hat seine Berechtigung für jeden und Hesse schreibt: "Ich kann und mag natürlich den Lesern nicht vorschreiben, wie sie meine Erzählung zu verstehen haben. Möge jeder aus ihr machen, was ihm entspricht und dienlich ist! Aber es wäre mir doch lieb, wenn viele von ihnen merken würden, daß die Geschichte des Steppenwolfes zwar eine Krankheit und eine Krisis darstellt, aber nicht eine, die zum Tode führt, nicht einen Untergang, sondern das Gegenteil: eine Heilung." Und so endet der "Steppenwolf" auch nicht mit dem Tod, sondern mit der Erwartung, "das Lachen zu lernen".

Die Handlung ist schwer zu beschreiben: Harry Haller lebt allein in einer Pension und hadert mit dem Leben. Gesellschaft ist im zuwider, nur hin und wieder geht er einen Wein trinken in einem Café und nimmt eine Einladung eines Professors an. Doch immer kehrt er niedergeschlagen zurück, merkt er doch wie anders er ist, wie oberflächlich seine Mitmenschen, wie bieder und zufrieden, während ihn nach Tiefe dürstet.

Doch eines Tages begegnet er der Lebedame Hermine, die ihn zum Freund erwählt und auf seltsame Weise sich ihm im Inneren verbunden fühlt. Sie denkt wie er und sie fühlt wie er, auch wenn sie nicht diegleiche Bildung hat. Ihm fehlt die Fähigkeit, die Freuden des Lebens zu finden und zu genießen - ihr fehlt das Wissen, die Intellektualität. Und so versucht sie ihn, an sich zu binden, macht einen Deal mit ihm. Er soll das Tanzen lernen, die Frauen lieben lernen und sie will eines Tages durch seine Hand sterben.

Für mich ist Hermine die eigentliche Heldin der Erzählung. Alles was Harry diffus fühlt und denkt, kann sie in Worte fassen und läßt den Leser mit offenem Munde zurück. Sie hat verstanden durch Beobachten nicht durch Zurückziehen. Sie zieht nur leider die falschen (weil zu harten) Konsequenzen.

"Der Steppenwolf" ist zeitlos und wird wohl noch in hundert Jahren ebenso lesenswert sein, vor allem für all diejenigen, die sich nicht zufrieden geben mit Konsum, mit dem "kleinen" Leben, sondern die Moral in seinem eigentlichen Sinne, Intellekt und Würde suchen - die ewig Unruhigen.

1 Kommentar:

  1. Schau an, der Steppenwolf...
    Auch ich habe das Buch mit 'rebellischen' 18 Jahren das erste Mal gelesen. Natürlich stand ich auf der Seite des aus den bürgerlichen Zwängen und Moralvorstellungen ausbrechenden Harry. Aber je länger ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass Harry und Hermine ja lediglich zwei Seiten ein und der selben Person sind. Hermann Hesse hat sich ja kaum die Mühe gemacht, die zahlreichen im Roman vorhandenen Schlüssel zu verbergen. Es geht schon grundsätzlich um Goethes Maxime 'Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust', nur dass es laut Hesse eben noch viel mehr sind, die auch nicht immer alle harmonisch zusammen singen...
    Ich glaube, ich werde ihn noch einmal lesen müssen, den Steppenwolf. Insbesondere nachdem ich so langsam das Alter Hesses bzw. Harry Hallers im Roman erreiche :)

    Besten Dank und bitte noch viele weitere tolle Rezensionen!

    Harald

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