Donnerstag, 7. Juni 2012

Siri Hustvedt: Sommer ohne Männer

256 S., Büchergilde Gutenberg, 16,95 €, ISBN

Mia ist nicht mehr die Jüngste, bereits über 50 und gerade von ihrem Mann Boris nach über 30 Jahren Ehe für eine Jüngere in Form einer "Pause" verlassen worden, was sie komplett aus ihrem Leben reißt und direkt in eine psychiatrische Anstalt befördert.

Unter Medikamenten ist sie nicht mehr sie selbst, aber dieser Zustand dauert nicht lang und Mia tastet sich langsam wieder in ein Leben zurück.

Erst zieht sie in die Nähe ihrer Mutter, die in einem Altenheim lebt und noch viel Freude am Leben hat, dann beginnt sie einen Lyrikkurs für Teenager zu halten, der sie bald sehr in Anspruch nimmt. Und sie freundet sich mit ihrer Nachbarin Lola an, die ihre Tochter sein könnte.

Und plötzlich ist Boris fern und ein Leben ohne ihn vorstellbar. Da meldet er sich und will Mia zurück. Doch sie ziert sich und fordert: "Mach mir den Hof." 

Siri Hustvedt ist ein sehr realitätsnaher Roman über die Midlife-Crisis, Verlassen-Werden und Verlassen-Sein, über das Gefühl, am Boden zerstört zu sein, über die Hoffnung und über die Haben-Seite einer langjährigen Ehe gelungen. In Vielem fand ich mich wieder, eigene Erlebnisse gab es so oder ähnlich auch schon in meinem Leben.

Zum Beispiel will Mia unbedingt wissen, wer sich von wem getrennt hat: die "Pause" von ihm oder umgekehrt oder vielleicht im Einvernehmen, es ist ihr wichtig:

" B.I. Mia, spielt es wirklich eine Rolle, was passiert ist? Reicht es nicht, dass es vorbei ist und ich Dich sehen will?
M.F. Wenn die Geschichte umgekehrt wäre und ich wäre Du, spielte es für Dich etwa keine Rolle? Es geht um den Zustand Deines Herzens, mein alter Freund. Herz eingebeult von Abweisung à la francaise, unglücklich und überraschend hilflos allein, beschließt Ehemann, es könnte besser sein, Versöhnungsverhandlungen mit der alten Getreuen aufzunehmen, oder: Seinen Irrtum einsehend, durchdringt Gatte seinen Wahn (hahaha) und hat eine Offenbarung: Abgenutzte alte Ehefrau sieht von Uptown aus besser aus. "
Dies ist auch ein Beispielt der herrlichen Sprache, die Siri Hustvedt so leicht aus der Feder zu fließen scheint. Allerdings gibt es für mich auch einen kleinen Makel: gerade im ersten Drittel kommt ihre Heldin doch allzusehr intellektuell (sie ist Literaturwissenschaftlerin) daher. Es wird mit Wissen geprahlt, zitiert und angelehnt, dem nicht jeder Leser ohne weiteres folgen wird können. Mir war das ein wenig too much, legte sich aber Gott sein Dank nach und nach.

Deshalb ein Tipp für alle, die gern Geschichten lesen, die das Leben schrieb.


1 Kommentar:

  1. Von diesem Buch habe ich schon öfter etwas gehört, aber noch keine Rezension gesehen - danke dafür!

    AntwortenLöschen