Montag, 24. Mai 2010

Alice Greenway: Weisse Geister



220 S., 19,90 €, marebuchverlag, ISBN 978-3-86648-101-5

Der erste Roman von Alice Greenway spielt in Hongkong, wo die Autorin selbst aufgewachsen ist. Erzählt wird die Geschichte von Frankie und Kate, zwei unterschiedlichen Schwestern im Jahre 1967. Dieses Jahr verändert die heile Welt der Teenager-Schwestern.

Ihr Vater arbeitet als Kriegsfotograf im Vietnamkrieg. Kate, die Ich-Erzählerin und Frankie wachsen zuerst unbeschwert mit ihrer Mutter und der chinesischen Haushälterin Ah Bing auf. Sie tauchen im azurblauen Wasser, versuchen sich gegenseitig zu übertrumpfen und scheinen unzertrennlich.

Doch unerwartet kehrt der ferne Krieg auch in ihr Leben. Eine Ertrunkene schwemmt an Land, während die Geschwister baden. Sie haben nun gesehen, was ihr Vater gesehen hat, eine Leiche. Auch wenn dies kein Kriegsopfer ist, verändert es die Welt von Kate und Frankie. Sie interessieren sich plötzlich für die Roten, wollen sie von Nahem sehen und geraten dadurch in eine Situation, die beide traumatisiert, jede auf ihre Weise.

Frankie versucht in Folge dessen mit allen Mitteln, auch ihren körperlichen Reizen, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, während Kate still wird und voller Unverständnis das Treiben ihrer Schwester beobachtet. Ihre Mutter kommt mit dem veränderten Verhalten Frankies nicht klar und will sie auf ein Internat schicken.

Beim folgenden Besuch des Vaters bei der Familie geschieht das fast unvermeidliche tragische Unglück, das den Roman beschließt.

Alles in allem hat mir das Buch gut gefallen. Vor allem die Story fand ich ungewöhnlich und authentisch. Jedoch war mir die Sprache insgesamt etwas zu distanziert, so dass ich nicht immer den Wendungen logisch folgen konnte.

Samstag, 15. Mai 2010

Nuala O'Faolain: Nur nicht unsichtbar werden



252 S., 5,00 €, Wunderlich, ISBN 3-499-26487-0

Nuala O'Faolain legte mit diesem Buch ihre Lebensgeschichte vor. Der Untertitel "Ein irisches Leben" will den Leser bereits leiten und symbolisieren, daß viele beschriebene Dinge auch anderen irischen Frauen so oder so ähnlich passiert sein könnten.

Da ich selbst zu Irland keinerlei Beziehung habe, kann ich nicht beurteilen, wie nah diese Lebensgeschichte dem realen Leben der irischen Bevölkerung ist. Da das Buch in Irland ein Bestseller wurde, muss es wohl den Nerv einer Generation getroffen haben.

Ich selbst aber fand dieses Buch sehr wirr und sprachlich unausgereift. Obwohl O'Faolain vorher bereits als Journalistin gearbeitet hat, fiel es mir schwer, den Gedanken und Ereignissen zu folgen. Fesseln tat mich die Geschichte auf jeden Fall nicht. Vieles verstand ich nicht, fand ich zu banal bzw. ich konnte den zeitlichen Sprüngen nicht folgen.

Man merkt der Autorin an, welche Bedeutung ihre Befreiung von den konservativen Werten für sie hat. Zwischenzeitlich empfand ich vieles aber nur als Selbstmitleid. Offensichtlich hat O'Faolain bereits eine ordentliche Karriere im Fernsehen hingelegt, nur privat scheint sie in Liebesdingen weniger erfolgreich zu sein.

Aber trifft dies nicht auch andere - sogar ziemlich viele Frauen? Hat das unbedingt etwas mit der irischen Gesellschaft zu tun, die die Frauen dieser Generation immer noch am Herd und bei den Kindern sieht, die keiner Ausbildung bedarf? Sind der allseits präsente Alkoholismus der Grund für die "falschen" Beziehungen? Für mich war das alles nicht schlüssig.

Da ich von der Autorin vor längerer Zeit bereits "Sein wie das Leben" gelesen hatte, welches mir recht gut gefallen hat, war ich von dieser Autobiographie, die ihr den Durchbruch brachte, enttäuscht.

Freitag, 7. Mai 2010

Victor Hugo: Das Jahr 1793



411 S., M 13,20, Kiepenheuer, ISBN 3-378-00295-6
"Ein Gesamtwille herrschte über ihnen, ein überpersönlicher Gedanke, unzähmbar, unmeßbar, brausend aus den Schatten der Himmelshöhen. Dies nennen wir Revolution. Stürmte eine solche Idee durch die Welt, so warf sie den einen zu Boden und hob den anderen empor; zersprengte manchen zu Schaum und schmetterte manchen gegen die Riffe. Sie wußte, wohin sie ging, sie trieb den Abgrund vor sich her. Gibt man die Revolution für Menschenwerk aus, so würden Ebbe und Flut vom Wasser geschaffen."

Zwischendurch muss es immer mal wieder ein Klassiker sein. Wie unschwer zu erkennen, handelt "Das Jahr 1793" von der Französischen Revolution. Anfangs hatte ich große Schwierigkeiten, in die Handlung zu kommen. Im ersten Drittel ist das Buch auch weniger Roman, sondern vielmehr philosophische Betrachtungen über diese große Revolution.

Im weiteren Verlauf fesselte mich das Buch allerdings sehr. Fasziniert von der Sprache Hugos und seiner eindeutigen Positionierung schlug mich der Roman in seinen Bann.

Der Leser begegnet dem Revolutionär Gauvain und seinem Gegenspieler, dem Royalisten Lantenac. Onkel und Neffe stehen sich in diesen Zeiten feindlich gegenüber und treffen am Ende in der Schlacht um die Festung La Tourgue sogar perönlich aufeinander.

Aber dies ist nicht die einzige Konfliktkonstellation. Der väterliche Freund von Gauvain, Cimourdain, ist über die Jahre hart geworden und unverzeihlich gegenüber allen Royalisten. Er verlangt Härte gegen alle Gegner und gewährt nicht mal Gnade denjenigen, die in unmenschlichen Zeiten Menschlichkeit zeigen. Gauvain hingegen sieht das anders:
"Dieser Mensch, der soeben den dunklen Schlund des Bürgerkrieges durch das Licht einer göttlichen Tat erleuchtet hatte, konnte kein Monster sein. Der Schwertträger verwandelte sich in einen Träger des Lichtes. Der höllische Satan wurde wieder zum himmlichen Luzifer."

Zwischen die Kriegsfronten gerät eine junge Mutter von drei kleinen Kindern. Erst von den Revolutionären aufgenommen, dann von den Royalisten fast erschossen und der Kinder beraubt, begibt sie sich nach ihrer Genesung auf die Suche nach ihren Kindern und findet sie nach der Schlacht auf La Tourgue.

An ihr und ihren Kindern spitzt sich der Konflikt zwischen Gauvain, Cimourdain und Lantenac zu und endet tragisch.

Das große Thema Hugos in diesem Roman ist die Auseinandersetzung mit den Errungenschaften der Revolution und dem Widerspruch der Unerbittlichkeit nach deren Sieg, symbolisiert in der Guillotine.