Dienstag, 29. Juni 2010

Ingo Schulze: Adam und Evelyn



313 S., Berlin Verlag, 18,- €, ISBN 3-8270-0810-7


Adam ist Damenmaßschneider, um den sich die Frauen reißen. Er schneidert ihnen Kleiderträume auf den Laib, die es im Osten nicht im Laden zu kaufen gibt. Dafür lieben sie ihn. Und Adam liebt die Frauen. Er dokumentiert seine Kreationen im Bild und manchmal wird den Beteiligten dabei so "heiß", daß der Schneidermeister und die Kundin noch wo ganz anders landen.

Dies ahnt Evelyn, Adams Freundin. Jedoch erst nachdem sie den Geliebten mit Lilli erwischt, zieht sie die Konsequenz und fährt mit ihrer Freundin Simone und deren West-Cousin an den Balaton. Und das nicht so ganz ohne Hintergedanken im Jahre 1989.

Adam beschließt, ihr nachzufahren und die Geschichte entwickelt sich zu einem Roadmovie, daß in einer unbekannten Zukunft endet.

Adam und Evelyn vertrieben ins vermeintliche "Paradies".

Eine tolle Idee - vom Ansatz her, auch unterhaltsam geschrieben und dennoch bleibt man am Ende etwas ratlos zurück. Dieses Ende ist kein richtiges Ende und was mit einer guten Idee begann, endet eben ... flach.

Auch musste ich mich in fast jedem neuen Kapitel (und die Kapitel sind nicht lang) erst einmal orientieren. Das Stilmittel der Lücke wird zu oft bedient, der Leser findet sich nur mühsam zurecht. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Was soll ich zwischen den Zeilen lesen? Das stört den Lesefluss und macht das Roadmovie nicht rasant, sondern holperig.

Trotzdem habe ich das Buch schnell gelesen und wenn man lediglich eine nette Wendegeschichte mit einigen "So wars"-Aha-Momenten lesen will, ist man mit diesem Buch gut bedient.

Samstag, 26. Juni 2010

Stieg Larsson: Verblendung



687 S., 9,95 €, Heyne, ISBN 978-3-453-43245-1


Sehr spät habe nun auch ich den ersten Teil der Stieg-Larsson-Triologie gelesen. Nach all den Lobeshymnen waren die Erwartungen natürlich groß. Enttäuscht worden bin ich nicht wirklich, auch wenn ich etwas anderes erwartet hätte.

Das Buch ist ein echter klassischer Krimi mit einem tollen, ungewöhnlichen Ermittler-Duo, welches auf gewohnte Art zu fesseln weiß. Guter Krimistoff, der solide geschrieben ist und Lust auf mehr macht. Nicht mehr - aber auch nicht weniger.

Der Autor läßt in diesem Krimi keine klassischen Kriminalbeamten einen Fall lösen, sondern schickt einen Journalisten, der gerade wegen Verleumdung eine Haftstrafe antreten muss und eine sozial gestörte Hackerin mit Punk-Style ins Rennen. Dies ist allemal nicht alltäglich in der Krimilandschaft.

Auch der Fall ist ungewöhnlich: es soll geklärt werden, was mit einem vor 30 Jahren verschwunden Mädchen namens Harriet Vanger passiert ist. Der Auftrag kommt von deren Onkel, der vor seinem Tod gern Klarheit über den Verbleib seiner Nichte haben will. Ausgehend von der Annahme, es gehe um Mord, geht Blomkvist - der Journalist auf Spurensuche. Dabei dringt er in die Tiefen der Familiengeschichte der Vangers ein.

Das wiederum gefällt fast allen Familienmitgliedern gar nicht und er stößt auf gewisse Widerstände. Nachdem er aber doch noch eine erste Spur gefunden hat, bekommt er von seinem Auftraggeber die auf Personenrecherchen spezialisierte Salander zur Seite gestellt. Zwischen den beiden entwickelt sich eine gewisse Zuneigung, sogar Freundschaft. Und sie lösen den Fall, wenn auch anders, als anfangs gedacht.

Das ganze Buch ist ein komplexer Fall, der auch die privaten Schwierigkeiten der Akteure stark beleuchtet. Die Verleumdungsgeschichte spielt auch nach Klärung des Falles noch eine Rolle und läßt erahnen, daß die folgenden Bänder sich weiterhin damit beschäftigen.

Für mich ist es nicht zwingend, die anderen beiden Bände auch noch zu lesen. Nichts bleibt wirklich offen, aber dennoch mag ich den schwedischen Schreibstil und werde bei Gelegenheit auch noch in die anderen eintauchen.

Samstag, 12. Juni 2010

Kristof Magnusson: Das war ich nicht



285 S., 19,90 €, ISBN 978-388897-582-0


Auf dieses Buch bin ich über eine tolle Livestream-Lesung bei Lovelybooks aufmerksam geworden. Eigentlich wollte ich bei meinem Buchmessen-Besuch den Autor auch noch mal persönlich erleben, aber in den Massen ergab sich das leider nicht. Dennoch habe ich mir das Buch von der Messe mitgebracht und nun in einem Rutsch gelesen.

Sehr flüssig, rasant, witzig und klug beschreibt Magnusson in diesem Roman die Verstrickung dreier Menschen in die Finanzkrise des letzten Jahres. Erzählt wird die Geschichte aus der Persepektive aller drei Protagonisten. Abwechselnd sind die Kapitel jeweils aus der Sicht von Jasper, Henry und Meike geschrieben.

Jasper ist ein junger Banker, der in Chicago bei Rutherford & Gold gerade zum Trader in den Händlersaal aufgestiegen ist und nun sehr ehrgeizig an der Börse handelt. Recht schnell gerät er aber durch unglückliche Umstände in eine Spirale nicht genehmigter Börsengeschäfte, die am Ende nicht nur ihn ruinieren.

Meike dagegen ist eine kleine Übersetzerin, die hauptsächlich den berühmten, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Schriftsteller Henry LaMarck übersetzt. Gerade aus ihrem bürgerlichen Leben des nach und nach etablierten Hamburger Schanzenviertels entflohen (köstlich erzählt und auch im Berliner Prenzl Berg wiederzufinden), braucht sie dringend Geld. Der nächste Roman ihres Erfolgsautors läßt allerdings auf sich warten. Der Abgabetermin ist längst da, aber kein Manuskript.

Deshalb beschließt Meike nach Chicago zu fliegen und nach Henry zu suchen. Dieser wiederum hat keiner Zeile geschrieben, seit er großspurig verkündigt hat, der nächste Roman würde über den 11. September erzählen. Seitdem plagt ihn eine Schreibblockade und im Grunde sehnt er sich nach einem ruhigen Dasein als Rentner.

Zufälle bestimmen diesen Roman: Jasper lernt zufällig Meike in einer Bar kennen und da beide Deutsche und gerade ziemlich einsam sind, verbindet sie bald etwas ganz eigenes. Henry hingegen verliebt sich in das Zeitungsbild von Jasper und versucht, ihn ausfindig zu machen und für sich zu gewinnen.

In welchem skurilen Durcheinander das Ganze endet, kann man nun vielleicht schon ahnen. Auf jeden Fall ist die Story so amüsant geschrieben, daß man das Buch gar nicht mehr beiseite legen kann, bis man weiß, wie sie endet.

Also: unbedingt lesen!

Sonntag, 6. Juni 2010

Leonie Swann: Glennkill



375 S., 8,95 €, Goldmann, ISBN 978-3-442-46415-9

Der Untertitel "Ein Schafskrimi" ließ mich natürlich neugierig werden. Nicht, daß ich besonders auf Schafe stehe, aber wie man einen Krimi schreibt, in dem Schafe die Hauptpersonen sind, wo sie doch als ziemlich dumm gelten, fand ich schon interessant. Zudem habe ich die "Felidae"-Reihe von Acif Pirincci verschlungen, so daß Tiere in Krimis mir schon vertraut waren.

Nun zum eigentlich Fall: der Schäfer der Herde liegt eines Tages mit einem Spaten in der Brust auf seiner Weide in einem scheinbar recht hinterwäldlerischen Dorf in Irland. Die Schafe stehen staunend davor, vor allem Miss Maple interessiert, wer der Mörder des Schäfers ist.

Die Herde lauscht und beobachtet die Menschen, versucht daraus Schlüsse zu ziehen. Da sie jedoch nicht alles verstehen, sind diese Schlussfolgerungen manchmal etwas merkwürdig. Der Leser begegnet vielen verschrobenen Gestalten, er erfährt ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit und bekommt das ausschweifende Liebesleben des Opfers präsentiert.

Natürlich fragt man sich, ob das etwas mit dem Mord zu tun hat. Musste George Glenn sterben, weil er zuviel wußte und eine Gefahr darstellte oder handelt es sich bei der Tat um einen verzweifelten Akt der Eifersucht? Dies sei hier selbstverständlich nicht verraten.

Amüsant zu lesen ist, wie die Schafe sich heimlich ins Dorf oder zum Friedhof schleichen, durch Fenster gucken und lauschen, wie sie zwischendurch der Mut verliert und in welcher Beziehung sie zu den einzelnen Dorfbewohnern stehen.

Der Metzger zum Beispiel ist der große Feind, wie man unschwer erraten kann und der neu aufgetauchte Schäfer mit dessen neuer Herde ist ihnen von Anfang an suspekt. Fürchten tun sie ihn aber erst, als ihnen klar wird, was "Fleischrasse" wirklich bedeutet...

Leonie Swann versucht sich in die Schafe hineinzuversetzen, sie halten keine hoch intellektuellen Reden, sondern versuchen, ihrer Schafslogik zu folgen. Dies ist fürs Lesen allerdings oft etwas stockend und simple. Dennoch hat mir das Buch gut gefallen, auch wenn ich insgesamt mehr Spannung erwartet hätte. Aber allein die Namen der Schafe und die Beschreibung der Charaktere ist das Lesen des Buches wert. So gibt es ein schwarzes Schaf namens Othell0, ein immer hungriges Schaf namens Mopple the Whale oder Cloud, das wolligste Schaf der Herde, welches davon träumt eine Schäfchenwolke am Himmel zu werden.

Alles in allem ein gelungenes Buch, in das man sich hineinlesen muss, daß einem aber immer wieder ein Schmunzeln entlockt, wie zum Beispiel an dieser Stelle:
"Sir Ritchfield beschloss, die Schafe zu zählen. ... Es gab Streitereien, weil Schafe behaupteten, noch nicht gezählt worden zu sein, während Ritchfield behauptete, er hätte sie schon gezählt. Alle Schafe hatten Angst davor, beim Zählen vergessen zu werden und dann vielleicht zu verschwinden."