Sonntag, 17. Juni 2012

Doris Dörrie: Alles inklusive

248 S., Büchergilde Gutenberg, 18,95 €, ISBN 978-3-7632-6501-5

Wunderbar sarkastisch ist Doris Dörrie in diesem Buch. Die Frauen in ihrem Roman kranken alle an unerfüllten Lieben und Leben. Aber anstatt sie mit Mitleid auszustatten, führt sie sie vor, dies aber auf liebevolle Weise. Sie mag ihre geschaffenen Charaktere, man kann vermuten, dass einiges darin in ihr selbst steckt oder in Menschen, die sie kennt und schätzt. Denn wir sind alle mit Macken ausgestattet und spulen dieselben Fehler öfter ab.

Wie Apple, die als Tochter der Hippie-Mutter Ingrid aufwächst, die wiederum in ihren jungen Jahren in Spanien versucht, ihr Leben mit dem Verkauf von selbstgebastelten Schmuck am Strand an Touristen zu verkaufen und mit ihrer Tochter in einem Zelt schläft, was diese hasst.

Apple jedenfalls scheitern  an ihren Lieben, sie fällt immer wieder auf dieselbe Sorte herein, die sie finanziell ausnutzen und am Ende sitzen lassen. Vielleicht, weil sie zu besitzergreifend ist, zu spießig. Irgendwann schafft sie sich einen Mops an, den sie selbstredend Freud nennt und der im wahrsten Sinne ihr Therapeut ist, während er selbst zum Krüppel wird.

Ingrid dagegen kehrt im Alter zurück nach Spanien, wo sie ihrer großen Liebe wieder begegnet, der inzwischen im Altersheim lebt und dessen Sohn zur Tochter mutiert ist und auch so einiges mit sich rumschleppt. In jedem Fall aber den Tod der Mutter, die sich nach einem Techtelmechtel des Vaters im eigenen Pool ersäuft.

Schlussendlich begegnen wir noch Susi, die über Umwege eine Art Freundin für Apple wird, jedoch selbst einen todkranken Mann daheim zu pflegen hat. Nachdem dieser genesen ist und ein zweites Leben geschenkt bekommt, bricht Susis Welt zusammen - aber anders als man jetzt denken könnte.

Alle verzweifeln am Leben und an der unbarmherzigen Sonne Spaniens, die allen Deutschen so verlockend erscheint und für die "Exilanten" irgendwann zum Horror wird.

Ein wirklich amüsanter Blick auf diese gescheiterte Existenzen, die man dennoch - oder gerade - ins Herz schließt, denn etwas Scheitern steckt doch in uns allen. 

Donnerstag, 7. Juni 2012

Siri Hustvedt: Sommer ohne Männer

256 S., Büchergilde Gutenberg, 16,95 €, ISBN

Mia ist nicht mehr die Jüngste, bereits über 50 und gerade von ihrem Mann Boris nach über 30 Jahren Ehe für eine Jüngere in Form einer "Pause" verlassen worden, was sie komplett aus ihrem Leben reißt und direkt in eine psychiatrische Anstalt befördert.

Unter Medikamenten ist sie nicht mehr sie selbst, aber dieser Zustand dauert nicht lang und Mia tastet sich langsam wieder in ein Leben zurück.

Erst zieht sie in die Nähe ihrer Mutter, die in einem Altenheim lebt und noch viel Freude am Leben hat, dann beginnt sie einen Lyrikkurs für Teenager zu halten, der sie bald sehr in Anspruch nimmt. Und sie freundet sich mit ihrer Nachbarin Lola an, die ihre Tochter sein könnte.

Und plötzlich ist Boris fern und ein Leben ohne ihn vorstellbar. Da meldet er sich und will Mia zurück. Doch sie ziert sich und fordert: "Mach mir den Hof." 

Siri Hustvedt ist ein sehr realitätsnaher Roman über die Midlife-Crisis, Verlassen-Werden und Verlassen-Sein, über das Gefühl, am Boden zerstört zu sein, über die Hoffnung und über die Haben-Seite einer langjährigen Ehe gelungen. In Vielem fand ich mich wieder, eigene Erlebnisse gab es so oder ähnlich auch schon in meinem Leben.

Zum Beispiel will Mia unbedingt wissen, wer sich von wem getrennt hat: die "Pause" von ihm oder umgekehrt oder vielleicht im Einvernehmen, es ist ihr wichtig:

" B.I. Mia, spielt es wirklich eine Rolle, was passiert ist? Reicht es nicht, dass es vorbei ist und ich Dich sehen will?
M.F. Wenn die Geschichte umgekehrt wäre und ich wäre Du, spielte es für Dich etwa keine Rolle? Es geht um den Zustand Deines Herzens, mein alter Freund. Herz eingebeult von Abweisung à la francaise, unglücklich und überraschend hilflos allein, beschließt Ehemann, es könnte besser sein, Versöhnungsverhandlungen mit der alten Getreuen aufzunehmen, oder: Seinen Irrtum einsehend, durchdringt Gatte seinen Wahn (hahaha) und hat eine Offenbarung: Abgenutzte alte Ehefrau sieht von Uptown aus besser aus. "
Dies ist auch ein Beispielt der herrlichen Sprache, die Siri Hustvedt so leicht aus der Feder zu fließen scheint. Allerdings gibt es für mich auch einen kleinen Makel: gerade im ersten Drittel kommt ihre Heldin doch allzusehr intellektuell (sie ist Literaturwissenschaftlerin) daher. Es wird mit Wissen geprahlt, zitiert und angelehnt, dem nicht jeder Leser ohne weiteres folgen wird können. Mir war das ein wenig too much, legte sich aber Gott sein Dank nach und nach.

Deshalb ein Tipp für alle, die gern Geschichten lesen, die das Leben schrieb.


Samstag, 2. Juni 2012

James Jones: Die Pistole

156 S., Fischer, ISBN 3-596-28005-2

James Jones ist berühmt geworden durch seinen verfilmten Roman "Verdammt in alle Ewigkeit", in dem es bereits um die amerikanische Armee kurz vor dem Angriff auf Pearl Harbor durch die Japaner ging.

"Die Pistole" beginnt zum Zeitpunkt dieses Angriffs. Gefreiter Mast ist durch seinen Wachdienst für 24 Stunden im Besitz einer Pistole, die sonst nur höheren Dienstgraden vorbehalten ist. Durch den Angriff ist das Chaos auf der Basis jedoch so groß, dass nach Ende des Dienstes keiner die Pistole ordnungsgemäß zurück haben will.

Mast nutzt diese einmalige Chance, um die Pistole zu behalten. Sie wird seine Lebensversicherung, sein Talisman. Bald wähnt er sich ohne die Pistole verloren gegen die Samurai der drohenden Invasion der Japaner. Und da das nicht nur Mast so sieht, haben es alle auf seine Pistole abgesehen und versuchen mit allen Mitteln, sie ihm abzuluchsen. Wie er dennoch seine Pistole verteidigt bzw. immer wieder zurück bekommt, ist amüsant erzählt. Man leidet mit Mast mit um sein Symbol des Überlebens, der Freiheit.

Ein gelungenes Kabinettstück um einen kleinen Hoffnungsschimmer in Kriegszeiten.