Dienstag, 26. Mai 2009

Minette Walters: Wellenbrecher


412 S., 8,95 €, Goldmann Verl., ISBN 3-44244703-8

Dies ist mein erstes Buch, welches ich über einen Bookring bei bookcrossing erhalten habe. Bestimmte Bücher werden auf eine Reise geschickt und sollen am Ende wieder beim Besitzer landen. Dieser gibt das Buch für einen Bookring frei. Man kann sich mittels einer persönlichen Mail in die Liste eintragen lassen und irgendwann schreibt ein anderes Mitglied einen an und fragt nach der Adresse. Sodann bekommt man das Buch zugesendet, macht einen Eintrag auf der bookcrossing-Seite. Sobald das Buch gelesen ist, geht die Reise weiter.

Nun aber zum Inhalt - worum gehts. Eine Frau wird tot am Strand gefunden. Bei der Obduktion wird festgestellt, dass versucht wurde, sie zu erdrosseln, letztendlich aber Ertrinken die Todesursache war und Symptome von Unterkühlung werden auch noch festgestellt. Gefunden wurde die Leiche von zwei halbwüchsigen Brüdern und auch bald zur Stelle und zur Hilfe ist ein ziemlich gut aussehender junger Schauspieler. Allerdings gerät dieser schnell unter Verdacht, da er die Tote kannte.

Parallel dazu wird ein kleines dreijähriges Mädchen mutterseelenallein aufgegriffen. Zuerst ist ihre Identität nicht geklärt, sie reagiert auf die meisten Menschen sehr zurückhaltend, fast letargisch, nur bei Männern wird sie panisch. Nach eingehender Untersuchung wird festgestellt, daß sie unter Medikamenteneinfluss stand. Offensichtlich hat jemand versucht, das Kind ruhig zu stellen.

Alsbald wird klar, dass die Kleine die Tochter der Toten ist. Aber auch der bald herbeigerufene Vater erreicht das Kind nicht, im Gegenteil, sie fängt an zu schreien, sobald sie ihn sieht. Macht ihn das ebenso zum Verdächtigen?

Der Erzählfluss dieses Krimis ist recht ungewöhnlich. An echter Handlung fehlt es im weitere Verlauf des Buches. Spannung wird durch die folgenden Verhöre, das Zusammentragen von Indizien und die Berichte der Ärzte erzeugt. Verdachtsmomente ergeben sich wechselseitig bei beiden Verdächtigen, wobei zwischenzeitlich auch noch eine dritte Person ins Visier der Polizei gerät.

Trotzdem konnte mich dieser Krimi der hochgelobten Minette Walters nicht wirklich überzeugen. Es fehlt am Ende der Überraschungseffekt und auch sonst wirken einige Schwenks nicht glaubhaft, neue Argumente werden zu schnell ohne ausreichende Logik vom Tisch gefegt. Und auch die privaten Ereignisse des Polizeibeamten Ingram wirken blass und nicht einleuchtend. Berührt hat mich das alles nicht. Vielleicht probier ich später noch ein anderes Werk, z. B. "Die Schandmaske", von dem ich schon viel Tolles gehört habe. Aber erst einmal bin ich ein wenig enttäuscht.

Samstag, 9. Mai 2009

Richard K. Breuer: Rotkäppchen 2069

einliterarischercomicstripübersexundandereperversionen



324 S., 21,90 €, Eigenverlag, ISBN 978-3950249804

"Dr. Burgess Kubrick, Emotionsforscher von der Orange County University, wird Ihnen dabei helfen, Ihr destruktives Zerstörungspotential sowie Ihre unkontrollierten Gewaltausbrüche mit Musik in den Griff zu bekommen. Beethoven und Morissette stehen momentan hoch im Kurs! Bereits nach einem Jahr laufen Sie wieder normal wie ein Uhrwerk." (S. 227)

Diese ist nur eine von unzähligen Anspielungen in diesem unglaublichen Kaleidoskop der Absurditäten, einer Reise aus der Virtuality zurück in die Reality, in der alles möglich scheint. Vor allem Tabus existieren nicht in dieser geschaffenen Welt, in die es die vier Protagonisten Wolf, Perse, Rob und Franzi verschlägt. Als Probanden werden sie im Jahre 2069 an einen Zentralrechner angeschlossen, um ihren gesundheitlichen, sexuellen und psychischen Problemen auf den Grund zu gehen. Sie werden einer Art Traum ausgesetzt, der Virtuality, in der die skurilsten Dinge passieren. Vor allem Sex mit all seinen Perversionen kann hier ohne Skrupel ausgelebt werden. Und das tun die vier auch mit aller Freizügigkeit.

Doch etwas geht schief bei diesem Experiment: der Rückweg aus dieser Traumwelt ist versperrt. Das intelligente Überwachungsprogramm GIACOMO ist bei der Suche nach dem Ausgang nicht sehr hilfreich, im Gegenteil. Es scheint mit aller Macht genau dieses verhindern zu wollen.

Nun beginnt ein aufregender Roadtrip durch die Virtuality, die ein wenig dem Wunderland von Alice gleicht. Auf der Suche nach Egon, dem Zwerg ( der ExitRoutine) begegnen Rob, Wolf, Perse und Franzi vielen merkwürdigen Gestalten, die alle komplett durchgeknallt sind. Bei einem Kostümball z. B. bekommen sie Tierkostüme, die den Bremer Stadtmusikanten erstaunlich ähneln und die Geschlechtsteile unbedeckt lassen. Am Ende mündet das Experiment in einem einzigen Chaos.

Anfangs ging mir diese Fixierung auf alle Spielarten von Sex ein wenig auf die Nerven und die Handlung fesselte mich nicht sonderlich. Mit der Zeit fand ich jedoch die subtilen Anspielungen und die ironisch verstreute Kritik an den unterschiedlichsten Dingen sehr amüsant.

"[Perse]"McD? Wer ist denn das" [Wesley]"Cheeky! Kommt ihr vom Mars? McD ist neben BurgerPrince die größte BioGenFood-Kette der Welt....Das ist der neue SuperMeatBall...nennt sich 'Stein-Man'. Er leuchtet im Dunkeln, schmeckt sheeky und ist gesünder als ein mexikanisches Ziegensteak. Den müßt ihr unbedingt essen! Außerdem bekommt man zu jedem dritten SMB ein X³L T-Shirt."" (S. 203)

Da ich ein Faible für typografisch gut gemachte Bücher habe, konnte ich mich auch an der tollen Gestaltung des Buches erfreuen. Die Comic-Illustrationen von Gunther "Ecki" Eckert sind wirklich toll:



So ganz überzeugt hat mich dieses, im Stile eines Theaterstückes geschriebene Märchen nicht. Leider wird der Plot nicht wirklich voran getrieben, er scheint nur der Aneinanderreihung der zahlreichen Botschaften zu dienen. Und vielleicht kann ich manchmal dem durchaus berüchtigten wienerischen Humor nicht ganz folgen. Liebhaber desselbigen werden aber mit Sicherheit dieses Buch lieben.

Also Fazit: Geschmackssache ... und damit sich noch viele andere Interessierte ein Bild machen können, geht das Buch nun auf bookcrossing-Reise.

Freitag, 1. Mai 2009

Uwe Tellkamp: Der Turm


972 S., 21,- €, Büchergilde Gutenberg, ISBN 978-3-7632-5997-7

"Etwas in seinem Innern schien zu verrutschen an diesen kurzen, wächsernen Tagen, die ohne Elan und in flacher Bahn vorüberdrehten, nicht richtig geboren und für ein frühes, regenblasses Sterben bestimmt; er mochte sie nicht, diese Grauhimmel-Epoche ... ; er war trübselig in dieser Atmosphäre aus Mißgelauntheit und Kopfeinziehen ..."


Nun endlich habe ich es geschafft, den Wälzer "durchzuarbeiten". Dieser Ausdruck allein zeugt schon davon, dass es sicht nicht um eine leichte Lektüre handelt. Und ich bin mir mit mir selbst nicht ganz einig, wie ich das Buch bewerte. Zum einen ist es ein umfassendes Zeugnis der Verhältnisse der DDR in ihrem letzten Jahrzehnt und somit sicher bisher einzigartig in diesem Anspruch. Das macht dieses Buch zweifellos zu einem wichtigen Beitrag der heutigen Literaturlandschaft. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Kritikpunkte meinerseits.

Aber erstmal zum Inhalt: Hauptfigur ist Christian Hoffmann, anfangs Abiturient, später Wehrpflichtiger, der sich seine Laufbahn in der Medizin bereits lebendig ausmalt und im Laufe der Geschichte zu spüren bekommt, daß dies in dem System der "Diktatur des Proletariats" gar nicht so einfach ist. Obwohl er sich noch so sehr bemüht, nicht anzuecken, passiert es ihm dennoch ständig, da er von seinem Vater Richard (Arzt in einer Klinik) und seiner Mutter Anne (Krankenschwester) nicht zum Duckmäusertum erzogen wurde. Zwar lassen Sie ihm beibringen, wie man glaubhaft lügt (in einer eigens dafür geschaffenen Übung), aber im Grunde haben alle Familienmitglieder ein Problem, sich in ihrer Meinung zurückzuhalten.

Weiterer Protagonist ist vor allem Christians Onkel Meno, der priviligiert in Moskau aufgewachsen ist, sich als Lektor Geld verdient und auch hier seine großen Schwierigkeiten hat mit der politischen Zensur, mit der er täglich konfrontiert ist und arbeitet ausserdem im naturwissenschaftlichen Bereich, in den er sich immer zurückzieht, wenn ihm die intellktuellen Machtspielchen zu viel werden. Jede einzelne Figur versucht auf ihre Art mit den Gegebenheiten zurechtzukommen, sich einen Platz in dieser Gesellschaft zu suchen und zweifelt doch immer an der Richtigkeit des Agierens. Dies zeichnet das Buch aus.

Kritisch zu sehen ist jedoch zum einen die Ansiedlung der Familie in doch recht priviliergten Kreisen, die sogenannte "Arbeiterklasse" spielt keine Rolle, obwohl der "kleine Mann" sicher noch andere Sorgen hatte, als die hier geschilderten. Die größte Schwierigkeit beim Lesen stellt die Sprache dar, viele Teile des Buches lesen sich gut weg, vor allem die Teile, in denen Christians Weg beschrieben wird, andere hingegen gestalten sich zäh und schwierig zu begreifen. Es werden ganze Textblöcke ohne Absatz in künstliche Wortgebilde verpackt, die man mindestens dreimal lesen müßte, um sie wirklich zu verstehen. Als kleiner Vorgeschmack ist das Zitat am Anfang gedacht.

Auch sämtliche Figuren des Romans bedienen sich einer intellektuellen, mit zahlreichen Anspielungen ausgestatteten Sprache, wie sie im wirklichen Leben kaum einer gebraucht, hier aber zum Gestaltungsmittel wird. Dies ist sicherlich legitim, jedoch wird das Buch somit nicht zu einem leicht verdaulichen und alle Schichten erreichenden Werk werden. Und dies ist schade angesichts des oben angesprochenen Anspruchs des Romans.

Trotzdem empfehle ich jedem, der sich mit dem Leben in der DDR näher beschäftigen will, dieses Buch zu lesen, auch ehemaligen DDR-Bürgern, wie meine Wenigkeit, bringt die Lektüre etwas. Man sollte sich allerdings Zeit und Muße nehmen.