Freitag, 31. August 2012

Viele werden den "Steppenwolf" nie verstehen ...

... allen anderen sei dieses Zitat ans Herz gelegt. Hermine ist ab sofort meine größte Heldin der Literaturgeschichte!

"Das Leben, dachte ich, muss doch schließlich immer recht haben, und wenn das Leben meine schönen Träume verhöhnte, so dachte ich, es werden eben meine Träume dumm gewesen sein und unrecht gehabt haben. Aber das half gar nichts. Und weil ich gute Augen und Ohren hatte und auch etwas neugierig war, sah ich mir das sogenannte Leben recht genau an, meine Bekannten und Nachbarn, fünfzig und mehr Menschen und Schicksale, und da sah ich, Harry: meine Träume hatten recht gehabt, tausendmal recht, ebenso wie deine. Das Leben aber, die Wirklichkeit, hatte unrecht. Dass eine Frau von meiner keine andere Wahl fand, als an einer Schreibmaschine im Dienst eines Geldverdieners ärmlich und sinnlos zu altern .... Glaubst du, ich könne deine Angst vor dem Foxtrott, deinen Widerwillen gegen die Bars und Tanzdielen, dein Sichsträuben gegen Jazzmusik und all den Kram nicht verstehen? Allzu gut versteh ich sie, und ebenso deinen Abscheu vor der Politik, deine Trauer über das Geschwätz und verantwortungslose Getue der Parteien, der Presse, deine Verzweiflung über den Krieg, über den gewesenen und über die kommenden, über die Art, wie man heute denkt, liest, baut, Musik macht, Feste feiert, Bildung betreibt! Recht hast du, Steppenwolf, tausendmal recht, und doch musst du untergehen. Du bist für diese einfache, bequeme, mit so wenigem zufriedene Welt von heute viel zu anspruchsvoll und hungrig, sie speit dich aus, du hast für sie eine Dimension zuviel. Wer heute leben und seines Lebens froh werden will, der darf kein Mensch sein wie du und ich. Wer statt Gedudel Musik, statt Vergnügen Freude, statt Geld Seele, statt Betrieb echte Arbeit, statt Spielerei echte Leidenschaft verlangt, für den ist diese hübsche Welt keine Heimat..."

Aus: Hermann Hesse: Der Steppenwolf, Aufbau-Verlag, 1986 (Taschenbibliothek der Weltliteratur), S. 120 f.

Mittwoch, 22. August 2012

Wolfgang Herrndorf: Sand

474 S., Rowohlt, 19,95 €, ISBN 978-3-87134-734-4


Der Roman "Sand" von Wolfgang Herrndorf steht seit ein paar Tagen auf der Long List für den Deutschen Buchpreis 2012. Mit "Tschick" gelang Herrndorf vor ein paar Jahren ein absoluter Volltreffer: ein überaus witziges Jugend-Road-Movie mit kuriosen Aussenseiter-Gestalten.

Entsprechend gespannt war ich auf sein neuestes Werk. "Sand" ist ein Buch ganz anderer Art und man tut sich schwer damit, es in eine Schublade zu packen: am ehesten ein Thriller, gewürzt mit politischen Motiven und zwielichtigen Akteuren.

Herrndorf legt dem Leser Fäden in die Hand - vielschichtige - die lange Zeit nicht zusammen passen wollen. Da ist zum einen ein Massaker an vier Bewohnern einer Hippie-Kommune in der nordafrikanischen Wüste Anfang der 70er Jahre. Aufklären sollen dies zwei wenig motivierte Kommissare, die eigentlich selbst nicht wissen, worum sie gerade in diesen Land gelandet sind.

Dann taucht eine blonde Amerikanerin auf, die zwar blond und ihrem Aussehen nach für wirklich dumm gehalten werden könnte, jedoch sich am Ende als eine Schlüsselfigur entpuppen soll. Angeblich ist sie im Land um für eine Kosmetikfirma vor Ort zu arbeiten. Zufälligerweise kennt sie aber aus Jugendtagen eine Bewohnerin der besagten Kommune.

Und als dritter Faden wird ein Halb-Araber mit Gedächtnisverlust ins Rennen geschickt, der offensichtlich niedergeschlagen wurde und sich so gar nicht erinnern kann, wer er ist und warum er verfolgt wird. Lediglich ein alter Schuppen, wo er ein Gespräch seiner Verfolger belauschte und einen Toten findet, sind Anhaltspunkte.

Auch im Laufe der Geschichte kommen weitere Indizien nur sehr spärlich hinzu. Die Amerikanerin Helen, die den Araber (genannt Carl) in der Wüste aufliest, versucht zu helfen, verhält sich aber selber höchst suspekt.

So nimmt die Geschichte ordentlich Fahrt auf und es wird eine hohe Spannung aufgebaut, die am Ende den Leser aber unzufrieden und nur teilweise aufgeklärt zurück lässt. So ungewöhnlich, geradezu amüsant Herrndorf seine Figuren zeichnet und es versteht, den Leser in der Geschichte zu halten - einen Sog erzeugt, dem man sich bald nicht mehr entziehen kann, so enttäuscht ist man am Ende, wenn die Fäden immer noch nicht zusammenlaufen.

Nach einigem Rückblättern und nochmaligem Nachlesen erklären sich mir ein paar Fakten:

  • wer ist Carl wirklich? (Obwohl das nie explizit aufgelöst wird.)
  • gibt es seinen Kumpan Cetrois überhaupt?
  • welche Rolle spielt Helen in dem Ganzen?
Jedoch gibt es noch viel mehr Fragen als Antworten am Ende. Herrndorf schafft es nicht, seine Fäden zu entwirren, vielmehr verheddert er sich mit zahlreichen Einzeleinfällen und vergisst die plausible Auflösung.

Ich habe das Buch bis zur letzten Seite mit Hochspannung gelesen. Insofern kann ich es nicht schlecht bewerten. Und wenn ich es jetzt direkt noch einmal von vorn beginnen würde, vielleicht wäre mir dann Erleuchtung beschieden. Aber dennoch bin ich nicht überzeugt und hätte dem Buch einen couragierten Lektor gewünscht, der den hoch gefeierten Autor wieder auf den Weg bringt.

P.S. Nach dem Lesen der im Kommentar empfohlenen Kritik, die Aufklärung über viele Details enthält, muss ich meine Meinung ein wenig revidieren. Als aufmerksamerer Leser als ich wurden die Fakten greifbar ausgebreitet, man musste sie wohl nur nehmen.

Für mich heißt das: ich muss wohl doch noch einmal das Buch zur Hand nehmen, wenn auch nicht sofort, aber vielleicht in den nächsten Monaten irgendwann.


Sonntag, 12. August 2012

Daniel Biasini: Meine Romy

295 S., Langen Müller, ISBN 978-3784426877

Ich bin nicht der begeisterte Biografien-Leser und schon gar kein Kenner dieses Genres. So ist es wieder mal Zufall, dass ich diesen Band in die Hände bekam (durch unser Firmen-Buch-Tauschregal). Von Romy Schneider allerdings war ich immer sehr angetan. Ich halte sie für eine der besten deutschsprachigen Schauspielerinnen und ganz besonders beeindruckt hat mich immer ihre tolle Ausstrahlung, ihr Charme und ihr Natürlichkeit, die ich von keiner zweiten Schaupielerin kenne.

Das vorliegende Buch wurde in Co-Autorenschaft von ihrem zweiten Mann Daniel Biasini verfasst und der Titel läßt erahnen, dass es sich um eine sehr subjektive Sicht auf die Ikone Romy Schneider handelt. So weit, so gut und durchaus legitim und richtig. Objektivität ist eh in Biografien fehl am Platze, da kein Mensch in einem anderen drin steckt.

Beschrieben wird somit vor allem die Zeit zwischen 1972 und 1982, in der die beiden sich kennen und lieben lernten, die gemeinsame Tochter Sarah Biasini zur Welt kam, der dramatische Tod des ersten Sohnes David und ihre Trennung unvermeidbar wurde

Doch von Anfang an stört mich etwas an diesem Buch. Biasini ist in einer permanenten Verteidigungsposition. Alle anderen Biografienschreiber sind in seinen Augen Dummköpfe und Emporkömmlinge. Sogenannte "Vertraute" von Romy kannten sie gar nicht näher und haben alle Lügen erzählt. Daniel Biasini nimmt eine Opferrolle ein und stellt seine eigenen Fehler nur in ein paar Worten am Rande dar.

Außerdem versucht er einige Tatsachen ins rechte Licht zu rücken, so z. B. soll Romys Fehlgeburt nicht die Folge eines Autounfalls sein, sondern einer falsch behandelten Zahnentzündung. Er selbst hätte nicht auf Kosten von Romy gelebt, sondern lediglich auf ein gemeinsames Konto Zugriff gehabt, von dem hauptsächlich die Kosten für den Haushalt abgingen. Er selbst soll angeblich bis an sein Lebensende die Steuerschulden Romy Schneiders abtragen.

Nun will ich mir nicht anmaßen, was der Wahrheit entspricht und was nicht. Schon gar nicht, da ich mich bisher mit Romy Schneiders Person so gut wie gar nicht befasst habe. Dennoch bleibt beim Lesen ein fader Beigeschmack: das Buch wirkt wie ein gewollter Befreiungsschlag, der Romys letzten Ehemann in einem besseren Licht erscheinen lassen soll als es wohl bis dato der Fall war.

Das ist sicher sein gutes Recht, aber mich hat das beim Lesen die Ganze Zeit gestört. Auch die Tatsache, dass er am Ende gar nicht wirklich begründen kann, woran die Ehe nun gescheitert ist (nur an Romys mangelndem Selbstbewußtsein, an ihrem Problem des altersmäßigen 11jährigen Unterschiedes der Beiden?). Und ebenso bleibt Biasini sehr zurückhaltend in der Frage: warum starb Romy Schneider so früh? Er will sich nicht an Spekulationen beteiligen, was sicherlich positiv zu bewerten ist. Jedoch sind seine Erklärungen zum wiederkehrenden Medikamtenmissbrauchs auch während ihrer Ehe mehr als dürftig.

Ich würde dennoch nicht von einer Lektüre dieser Biografie abraten, stellt sie doch eine intime Betrachtung der Privatperson Romy Schneiders in ihren wichtigsten künstlerischen Jahren in Frankreich dar, in der sie zur ganz Großen wurde. Private Fotos, hauptsächlich auf dem Bauernhof in Ramatuelle aufgenommen, bezeugen eine glückliche und in ihrer Familie aufgehende Frau, die es noch schwerer zu verstehen machen, warum sie ein paar Jahre später viel zu früh aus dem Leben schied.

Sonntag, 5. August 2012

Arnaldur Indriðason : Frevelopfer

380 S., Bastei Lübbe, 8,99 €, ISBN 978-3-404-16611-4 

Das Isländer auch Krimis schreiben, war mir bis vor kurzem noch neu. Ich weiß gar nicht, wer mir Indriðason als Autor ans Herz gelegt hat, aber auf meinem Wunschzettel stand eigentlich ein anderes Werk: "Abgründe". Zum Geburtstag bekam ich dann aber "Frevelopfer" geschenkt, welches nun mein erster Indriðason wurde. 

Es ist der 9. Fall der "Kommisar Erlendur"-Reihe, in dem derselbige allerdings so gut wie keine Rolle spielt. Seine Kollegin Elínborg ermittelt in einem Fall eines ermorderten jungen Mannes, der mit durchgeschnittener Kehle, einem zu kleinen T-Shirt bekleidet und Rohypnol in der Hosentasche aufgefunden wird. Das Rohypnol ist bekannt als Beruhigungsmittel, aber auch als sogenannte Vergewaltigungsdroge, da es vermischt mit Alhohl zu einem totalen Gedächtnis- und Kontrollverlust führt. 

Schnell sind Elínborg und ihr anderer Kollege sich einig, dass es sich hierbei wohl um einen Racheakt handelt. Der Tote namens Runólfur hat vermutlich junge Frauen mit diesem Mittel willenlos gemacht und sie vergewaltigt und jemand hat sich an ihm gerächt, indem er ihn ebenfalls diese Zeug schlucken ließ.

Lange Zeit bekommt die Polizei allerdings nicht viel heraus - weder über Runólfur, der als freundlicher, unbescholtener Bürger bekannt ist - noch über die Frau, mit der er am Tag des Todes noch Geschlechtsverkehr hatte. Ist sie die Mörderin? Am Tatort fand sich noch ein Tuch mit einem ungewöhnlichen Geruch, dem Geruch nach Tandoori - einer indischen Gewürzmischung.

Zumindest ist dies ein Anhaltspunkt, ebenso die Zeugenaussage einer etwas verwirrten Frau, die einen Mann mit einer "Antenne" am Bein zum Tatzeitpunkt in der Nähe der Wohnung des Opfers gesehen haben will.

Schleppend sind die Ermittlungen. Zeitweise spielen mehr die Familienverhältnisse der Kommissarin eine Rolle - ihre pubertierenden Kinder, ihre Leidenschaft fürs Kochen, die ihr in diesem Fall sehr weiterhilft. Zwischendurch ist auch die Rede des vorhin bereits erwähnten Kollegen Erlendur, der zu einem Urlaub weilt, aber gleichzeitig für niemanden erreichbar ist und die Sorge um ihn zunehmend wächst.

Insgesamt hat mich der Krimi nicht überzeugt. Das lag an zwei Dingen, zum einen fand ich die eigentliche Krimihandlung zu offensichtlich, die Fährten zu plump gelegt, die offenen Fäden und Ungereimtheiten teilweise am Ende nicht aufgelöst. Da habe ich schon wesentlich Besseres gelesen.

Zum anderen - und das trägt sicherlich auch zum ersten Störfaktor bei - ist die Sprache sehr einfach und wenig virtuos. Gerade nach dem Genuss eines vortrefflichen Romans fiel es mir schwer, mich mit dieser Schlichtheit anzufreunden. Sicher erwartet man von Krimis keine literarische Höchstleistung, aber auch hier bin ich von z. B. Elizabeth George eine andere Klasse gewohnt.

Indriðason versucht in seiner Reihe die klassischen Muster zu bedienen: die Kommissare bekommen ein Profil und dies wird (vermutlich) von Roman zu Roman weiter verfolgt. Vielleicht konnte ich deshalb auch einiges im Buch nicht nachvollziehen. Und vielleicht wurden deshalb auch nicht alle Fäden zu Ende gesponnen. Es reizt mich allerdings nicht allzusehr, diese wieder aufzunehmen - so spannend waren sie dann doch nicht.

Gut gefallen hat mir hingegen, dass dem Autor mit der Kommissarin Elínborg eine Figur gelungen ist, die mitten im Leben steht. Sie hat kein Alkoholproblem wie Harry Hole bei Nesbo, sie ist kein einsamer Wolf wie Wallander und kein Adliger wie Thomas Lynley. Auch die Aufklärung des Falles ist nicht spektakulär, sondern vielmehr große Routinearbeit: das Überprüfen von sämtlichen Verbindungen zum Opfer, zu den gefundenen Gegenständen und immer wieder Nachhaken und unter Druck setzen der Verdächtigen. Dabei geht es aber ganz ohne Action und Gewalt zu. Und manches bleibt eben auch unaufgeklärt, trotz guter Polizeiarbeit, weil einfach nach einer gewissen Zeit kein Beweis mehr vorrätig ist, um einen Täter dingfest zu machen.

Ebenfalls positiv fand ich die Kochleidenschaft der Kommissarin, die meiner eigenen sehr entspricht. So mochte ich die Ausflüge, die sie in ihre Küche macht - manch anderen mag dies langweilen.