Freitag, 1. Mai 2009

Uwe Tellkamp: Der Turm


972 S., 21,- €, Büchergilde Gutenberg, ISBN 978-3-7632-5997-7

"Etwas in seinem Innern schien zu verrutschen an diesen kurzen, wächsernen Tagen, die ohne Elan und in flacher Bahn vorüberdrehten, nicht richtig geboren und für ein frühes, regenblasses Sterben bestimmt; er mochte sie nicht, diese Grauhimmel-Epoche ... ; er war trübselig in dieser Atmosphäre aus Mißgelauntheit und Kopfeinziehen ..."


Nun endlich habe ich es geschafft, den Wälzer "durchzuarbeiten". Dieser Ausdruck allein zeugt schon davon, dass es sicht nicht um eine leichte Lektüre handelt. Und ich bin mir mit mir selbst nicht ganz einig, wie ich das Buch bewerte. Zum einen ist es ein umfassendes Zeugnis der Verhältnisse der DDR in ihrem letzten Jahrzehnt und somit sicher bisher einzigartig in diesem Anspruch. Das macht dieses Buch zweifellos zu einem wichtigen Beitrag der heutigen Literaturlandschaft. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Kritikpunkte meinerseits.

Aber erstmal zum Inhalt: Hauptfigur ist Christian Hoffmann, anfangs Abiturient, später Wehrpflichtiger, der sich seine Laufbahn in der Medizin bereits lebendig ausmalt und im Laufe der Geschichte zu spüren bekommt, daß dies in dem System der "Diktatur des Proletariats" gar nicht so einfach ist. Obwohl er sich noch so sehr bemüht, nicht anzuecken, passiert es ihm dennoch ständig, da er von seinem Vater Richard (Arzt in einer Klinik) und seiner Mutter Anne (Krankenschwester) nicht zum Duckmäusertum erzogen wurde. Zwar lassen Sie ihm beibringen, wie man glaubhaft lügt (in einer eigens dafür geschaffenen Übung), aber im Grunde haben alle Familienmitglieder ein Problem, sich in ihrer Meinung zurückzuhalten.

Weiterer Protagonist ist vor allem Christians Onkel Meno, der priviligiert in Moskau aufgewachsen ist, sich als Lektor Geld verdient und auch hier seine großen Schwierigkeiten hat mit der politischen Zensur, mit der er täglich konfrontiert ist und arbeitet ausserdem im naturwissenschaftlichen Bereich, in den er sich immer zurückzieht, wenn ihm die intellktuellen Machtspielchen zu viel werden. Jede einzelne Figur versucht auf ihre Art mit den Gegebenheiten zurechtzukommen, sich einen Platz in dieser Gesellschaft zu suchen und zweifelt doch immer an der Richtigkeit des Agierens. Dies zeichnet das Buch aus.

Kritisch zu sehen ist jedoch zum einen die Ansiedlung der Familie in doch recht priviliergten Kreisen, die sogenannte "Arbeiterklasse" spielt keine Rolle, obwohl der "kleine Mann" sicher noch andere Sorgen hatte, als die hier geschilderten. Die größte Schwierigkeit beim Lesen stellt die Sprache dar, viele Teile des Buches lesen sich gut weg, vor allem die Teile, in denen Christians Weg beschrieben wird, andere hingegen gestalten sich zäh und schwierig zu begreifen. Es werden ganze Textblöcke ohne Absatz in künstliche Wortgebilde verpackt, die man mindestens dreimal lesen müßte, um sie wirklich zu verstehen. Als kleiner Vorgeschmack ist das Zitat am Anfang gedacht.

Auch sämtliche Figuren des Romans bedienen sich einer intellektuellen, mit zahlreichen Anspielungen ausgestatteten Sprache, wie sie im wirklichen Leben kaum einer gebraucht, hier aber zum Gestaltungsmittel wird. Dies ist sicherlich legitim, jedoch wird das Buch somit nicht zu einem leicht verdaulichen und alle Schichten erreichenden Werk werden. Und dies ist schade angesichts des oben angesprochenen Anspruchs des Romans.

Trotzdem empfehle ich jedem, der sich mit dem Leben in der DDR näher beschäftigen will, dieses Buch zu lesen, auch ehemaligen DDR-Bürgern, wie meine Wenigkeit, bringt die Lektüre etwas. Man sollte sich allerdings Zeit und Muße nehmen.

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