Sonntag, 12. September 2010

Juli Zeh: Corpus delicti



263 S., Büchergilde Gutenberg, 16,90 €, ISBN 978-3-7632-6240-3

Ich bin ja bekanntlicherweise ein Fan von Juli Zeh. Ihre Werke "Adler und Engel", "Spieltrieb" und zuletzt das Sachbuch "Angriff auf die Freiheit" habe ich verschlungen. Ich bin beeindruckt von Ihrem Engagement und ihrer klaren Positionierung, die sie bei jeder Gelegenheit öffentlich macht.

Deshalb war ich auch sehr gespannt auf diesen Science-Fiction-Roman, in dem sich Juli Zeh mit dem Gesundheitssystem auseinandersetzt, welches immer mehr der zentralen Kontrolle unterliegt. Sie spinnt den Faden der gesundheitlichen Datenerfassung via elektronischer Gesundheitskarte weiter und treibt diese Idee auf die Spitze.

In ihrer Zeit, Mitte der 21. Jahrhunderts (also gar nicht in allzuferner Zukunft), sind jedem Mitglied der Gesellschaft ein Gesundheitschip eingesetzt, auf dem alle Daten der Gesundheitsvorsorge erfasst sind. Jederzeit können über den Chip Informationen über die Fitnessübungen, die Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen der Menschen abgerufen werden. Stimmen diese Daten nicht, wird automatisch ein gesetzliches Verfahren eingeleitet, in dem sich der Delinquent rechtfertigen muss und ein Strafmass festgesetzt wird. Krankheiten existieren nicht mehr.

So geschieht es auch mit Mia Holl, deren Bruder sich nach einer Verurteilung wegen Vergewaltigung und Mordes das Leben nimmt. Er stand außerdem im Verdacht, einer "terroristischen" Vereinigung anzugehören, die sich gegen das bestehende System - genannt Die Methode - zur Wehr setzt.

Während Mia sich immer für eine angepasste Bürgerin und Verfechterin der Methode hielt, gerät sie mit dem Tod ihres Bruders in eine persönliche Krise und vernachlässigt ihre "bürgerlichen" Pflichten der Gesundheitsvorsorge. Da sie einfach nur ein paar Wochen ihre Ruhe haben will und sich zurückzieht, ist sie den Oberen suspekt und gerät in die Fänge der Justiz.

So unter Druck gesetzt wird sie zu einer Oppositionellen und sammelt fast unbeabsichtigt Anhänger um sich, die sich ebenfalls gegen das System auflehnen. Da sie eine Verurteilung nicht verhindern kann, will sie die Höchststrafe erreichen, um wenigstens als Märtyrerin zu gelten. Aber selbst das verhindert Die Methode.

Juli Zeh ist wieder einmal ein kluges Buch zu einem aktuellen gesellschaftspolitischen Thema gelungen, welches ich nur jedem Leser ans Herz legen kann. Ich hoffe sehr, von der derzeitig, meines Erachtens, besten deutschen Schriftstellerin noch viele solche Bücher zu lesen zu bekommen.

3 Kommentare:

  1. Verfolge immer mit Genuss Deine Buchrezensionen. Weiter so....bitte.

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  2. Das höre ich doch gern und ich freue mich, wenn ich den ein oder anderen für dieses Buch begeistern kann.

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  3. Und hier noch ein tolles Interview mit ihr, ganz aktuell und weiter unten auch zum Thema des Buches:
    http://www.theeuropean.de/juli-zeh/4303-freiheit-in-der-gesellschaft

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