Samstag, 20. August 2011

Apples Freiheit

"Man hat mir die Gelegenheit geboten, am Popmusik-Mainstream teilzuhaben, Kaugummi herzustellen und zu versuchen, Vierzehnjährige davon zu überzeugen, dass Aussehen und Anmutung der Produkte von Apple Computer Hinweise auf das Weltverbesserungsengagement von Apple Computer sind. Denn die Welt zu verbessern ist doch cool, oder? Und Apple Computer muss sich doch viel stärker für eine bessere Welt einsetzen, weil iPods so viel cooler aussehen als andere MP3-Player, weswegen sie auch viel teurer und mit der Software anderer Unternehmen nicht kompatibel sind, weil, na, eigentlich ist es nicht so recht klar, warum, in einer besseren Welt die allercoolsten Produkte einer winzigen Zahl von Bewohnern dieser bessseren Welt die allerobszönsten Profite bringen müssen. An dem Punkt müsstest du dann alles mit ein wenig Abstand und Weitsicht betrachten, damit du erkennst, dass allein schon die Anschaffung eines neuen iPods die Welt verbessert. Und genau das finde ich an der Republikanischen Partei erfrischend. Sie überlässt dem Einzelnen die Entscheidung, wie eine bessere Welt aussehen könnte. Es ist doch die Partei der Freiheit, stimmt's? Deshalb verstehe ich auch nicht, warum diese intoleranten christlichen Moralisten so einen großen Einfluss auf die Partei haben. Diese Leute sind total gegen die freie Entscheidung. Einige sogar gegen die Vergötterung des Geldes und materieller Güter. Ich finde, der iPod ist das wahre Gesicht der republiklanischen Politik, und ich bin dafür, dass die Musikindustrie hier eine Vorreiterrolle übernimmt und politisch aktiver wird, sich stolz erhebt und laut verkündet: Uns in der Kaugummibranche geht es nicht um soziale Gerechtigkeit, uns geht es nicht um exakte oder objetiv verifzierbare Information, uns geht es nicht um sinnvolle Abeit, uns geht es nicht um ein einheitliches Paket nationaler Ideale, uns geht es nicht um Weisheit. Es geht uns um die Entscheidung, was WIR hören wollen, und die Freiheit, alles andere zu ignorieren. Es geht darum, Leute lächerlich zu machen, die aus Mangel an Manieren nicht so cool wie wir sein wollen. Es geht uns darum, uns alle fünf Minuten ein hirnloses Wohlfühlding zu gönnen. Es geht uns um die gnadenlose Erzwingung und Ausbeutung unseres Rechts auf geistiges Eigentum. Es geht uns darum, Zehnjährige davon zu überzeugen, fündundzwanzig Dollar für ein cooles kleines iPod-Silikongehäuse auszugeben, dessen Herstellung eine konzessionierte Apple-Computer-Tochter neununddreißig Cent gekostet hat."

Aus: Jonathan Franzen: Freiheit, Büchergilde Gutenberg, S. 269 - Interview von Richard Katz (Musiker) gegeben an einen begeisterten Teenie-Fan

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