Mittwoch, 23. November 2011

Lilly Lindner: Splitterfasernackt

395 S., Droemer, 16,99 €, ISBN 978-3-426-22606-3

Puh - tief durchatmen, welch intensives Buch, hart und wichtig mit einer unglaublich bildlichen, kraftvollen Sprache. Also mich hat Lilly Lindner gepackt und ich wünsche ihr, dass ihr das Buch weitergeholfen hat, alles von dieser zutiefst verletzten Seele geschrieben zu haben.

Das Buch ist eine Autobiografie und schildert den Lebensweg von Lilly, beginnend von ihrer ersten Vergewaltigung mit 6 Jahren. Erste Vergewaltigung, wird sich manch einer jetzt fragen. Gab es denn noch mehr? Ja - es gab mehr und erst fast zum Schluss erfahren wir die ganze Wahrheit. Die Wahrheit, die Lilly selbst ihren besten Freunden über viele Jahre verschwiegen hat.

Es ist unerträglich zu lesen, was die Gewalt aus diesem Mädchen gemacht hat: eine seelisch völlig zerpflückte junge Frau. Magersüchtig, verschlossen, voll Gewalt gegen sich selbst beschließt sie eines Tages, ihren Körper in einem Edelbordell zu verkaufen. Vielleicht ein Ausweg, denkt sie. Vielleicht bekommt sie diesen Körper zurück, wenn sie nur freiwillig den Männern das gibt, was diese sich mit Gewalt von ihr genommen haben.

Aber sie macht weiter, immer weiter. Mit wievielen Männern sie geschlafen hat, kann sie bald nicht mehr sagen - es müssen Tausende sein. Immerhin findet sie in den Mädchen eine Art Familie und es gibt einige in ihrem Umkreis, so auch ihr Jugendfreund Chase, die sie immer wieder auffangen und aufrichten, die ihr Essen hinstellen, damit sie nicht am nächsten Morgen tot in ihrer Wohnung liegt.

Mit Erschrecken erfährt der Leser wie wenig die Eltern verstehen, völlig kalt und desinteressiert daran, was mit ihrer Tochter passiert. Bis zum Ende des Buches scheinen sie nicht zu wissen, warum ihre Tochter unter 40 Kilo wiegt, nicht Lilly mehr, sondern Ana und Mia, die ihr Leben bestimmen.

Man möchte Lilly schütteln und ihr immer wieder sagen: du hast keine Schuld, wehr dich, leb dein Leben, iss soviel du magst. Und am Ende des Buches gibt es zumindest soetwas wie einen Hoffnungsschimmer.

Ich jedenfalls hoffe, dass ich noch mehr von Lilly Lindner lesen kann und dann aus einem anderen Blickwinkel - zurück im Leben. Ihre Sprache ist wirklich toll, einmalig, nicht wirklich zu beschreiben. Deshalb: unbedingt lesen!

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