Samstag, 9. August 2014

Arnold Zweig: Der Streit um den Sergeanten Grischa

470 S., Aufbau-Verlag, 1949

Dieses Jahr jährt sich zum 100sten Mal der Beginn des ersten Weltkrieges. Grund genug, sich wieder einmal der Lektüre eines Buches zu widmen, welches in dieser Zeit spielt.

Grischa, ein russischer Kriegsgefangener, flieht aus einem Arbeitslager und macht sich auf den Weg heimwärts zu Frau und Kind, das er noch nicht mal kennt. Unterwegs trifft er mehrere Partisanen, die ihm helfen und Babka, eine von ihnen, verliebt sich in ihn.

Auf seiner weiteren Flucht befolgt er Babkas Rat, als er doch wieder verhaftet wird und gibt sich als Bjuschew aus, dessen Uniform man im Wald gefunden hatte und der sich als Überläufer entpuppt. Daraufhin wird Grischa zum Tode verurteilt.

Nun versucht Grischa, seine Wärter davon zu überzeugen, dass er gar nicht Bjuschew ist, sondern der Sergeant Grischa, der geflohen ist. Dies gelingt ihm zwar, aber um seine Verurteilung entfacht sich ein Machtkampf der militärischen Befehlshaber.

Ein Urteil aufzuheben senke die Moral der Armee - so die Meinung der einen Partei. Ganz im Gegenteil: die Vollstreckung eines ungerechten Urteils sei für die Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin verheerend - so die andere Seite. Dieser Streit trägt wahrhaftig die ganze Geschichte. Unglückliche äußere Umstände tun ihr Übriges, um die Spannung hoch zu halten. Außerdem taucht Babka wieder auf, als sie von der Verurteilung ihres Geliebten hört und will ihn zur nochmaligen Flucht verleiten.

Grischa lehnt jedoch ab, vertraut er doch auf die Gerechtigkeit, auch in Zeiten des Krieges. Selbst als er erfährt, dass Babka ein Kind von ihm erwartet, schwenkt er nicht um. Als sich ihm kurzfristig die Flucht bietet, will er sie dennoch wahrnehmen, aber ein deutscher Wachsoldat macht ihm und seinen Verbündeten einen Strich durch die Rechnung.

Der Fall des Sergeanten Grischa beruht auf einer wahren Begebenheit, die Arnold Zweig zu einem packenden und kritischen Roman über den ersten Weltkrieg verarbeitet. Meisterhaft gelingt ihm, diesen doch als juristisch dröge anmutenden Stoff zu einem wahren Krimi zu verdichten. Gerechtigkeit, Moral und die Grausamkeit des Krieges werden in diesem Roman genau unter die Lupe genommen. Und zu der Frage, ob ein einzelnes Schicksal mehr wiegt als das vieler in solch schwieriger Zeit, nimmt Zweig eindeutig Stellung:

"Um Deutschland geht es uns", spricht Winfried müde; "dass in dem Land, dessen Rock wir tragen, und für dessen Sache wir in Dreck und Elend verrecken bereit sind, Recht richtig und Gerechtigkeit der Ordnung nach gewogen werde. Dass dies geliebte Land nicht verkomme, während es zu steigen glaubt. Dass unsere Mutter Deutschland nicht auf die falsche Seite der Welt gerate. Denn wer das Recht verlässt, der ist erledigt." (S. 410)

Ein lesenswerter Klassiker, der sich in eine Reihe weiterer Werke zu diesem Krieg aus der Feder von
Arnold Zweig stellt.

 

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