Montag, 23. September 2013

Janne Teller: Nichts. Was im Leben wichtig ist

139 S., Hanser, 12,90 €, ISBN 978-3-446-23596-0

Vorweg muss ich sagen, warum ich dieses Buch gelesen habe und unter welchen Voraussetzungen. Der Deutschlehrer meines Sohnes bat uns, das Buch zu lesen, da er es mit seiner 8. Klasse gerne behandeln will und wir sollten mit entscheiden. Die Diskussion hat noch nicht stattgefunden, aber ich bin jetzt schon gespannt darauf.

Da mir erst die Zeit fehlte, las ich einige Rezensionen und war schon etwas zwiespältig, als ich ans Lesen ging. Zum einen bin ich ein sehr offener Mensch, der durchaus dafür ist, den Schülern etwas zuzutrauen und kontroverse Themen zu behandeln. Ich begrüße es in der Regel, wenn ein Lehrer von den ausgetretenen Pfaden abweicht.

Durch die doch unterschiedlichen Meinungen im Netz war ich aber doch etwas verunsichert und wollte mir selbst ein Bild machen. Nun habe ich dieses kleine Büchlein durch und kann so gar nichts damit anfangen. Dieser Hype um Verbot auf der einen und hochgelobten Preisen auf der anderen Seite kann ich so gar nichts abgewinnen. Denn ich finde das Buch einfach schlecht - und zwar aus literarischer Sicht.

Ja, es ist brutal, wie eine Klasse versucht, alles zusammen zu tragen, was eine Bedeutung hat, um dem Klassenkameraden seine nihilistische Einstellung zu widerlegen. Sie schrecken nicht vor Vergewaltigung und Verstümmelung zurück, um den "Berg der Bedeutung" zu erschaffen. Aber das war nicht mein Problem beim Lesen. Für 13jährige finde ich das immer noch heftig, hätte es aber akzeptieren können, wenn das Buch wirklich eine Botschaft hätte. Hat es aber nicht!

In keinem Satz wird auch nur ein Versuch der Begriffserklärung "Bedeutung" gestartet. Die Autorin setzt bei allen Lesern dasselbe Verständnis voraus. Nun kann man entgegnen: für jeden hat etwas anderes eine Bedeutung und das stimmt ja in der Tat und wenigstens dies kommt in dem Buch auch raus. Aber mit welchem Fazit? Wieder keinem.

Die Schüler sind so konturlos, das Thema nur angerissen, der Kern am Ende sogar vernichtend. Keiner agiert sinnvoll, nichts ist realitätsnah. Weder Pierre Anton in seinem Pflaumenbaum, der die Kinder und ihre Suche nach Bedeutung verhöhnt, noch die anderen, die monatelang kriminelle Energien entwickeln ohne dass jemand davon etwas mitbekommt und selbst als alles rauskommt, regiert die Erwachsenenwelt blass und schemenlos mit Hausarrest - ohne Emotion, weder beeindruckt, noch wütend, noch fassungslos. Einfach nichts! Vielleicht ist dies mit dem Titel gemeint...

Jugendbücher sollten doch vor allem eines: als Identifikation dienen. Doch wie soll sich ein 13jähriger mit jemandem identifizieren, der so wenig Charakter aufweist wie diese Jugendlichen? Sie sind kalt, kennen keine Zweifel und offenbar auch keine Grenze zur Gewalt. Mitleid existiert nicht und Zweifel schon gar nicht.

Ich kann die Intention des Romans verstehen. Sich mit dem Sinn des Lebens auseinander zu setzten und auch mit der Frage, ob es irgendetwas gibt, was wirklich Bedeutung hat, ist löblich. Die Schilderung, dass eine Situation außer Kontrolle gerät und nur noch die schlimmsten menschlichen Züge hervorbringt, kann ein gutes Stilmittel sein. In "Herr der Ringe" oder "Die Welle" wird das wunderbar beschrieben. In diesen Werken leben aber auch die Figuren, man fühlt mit und kann die Handlungen nachvollziehen. Aber Janne Teller gelingt nichts von dem. Hätten die Schüler nicht erstmal mit ihren Eltern, den Lehrern oder untereinander über dieses Thema reden können? Warum wird das Ganze zum Selbstläufer und gipfelt in einer solchen Brutalität und Abgestumpftheit?

Was mich aber am meisten entsetzt ist das Ende. Es ist nicht offen, es regt nicht zum weiteren Nachdenken an. Vielmehr lässt es die jugendlichen Leser in eine Leere fallen:

"Er (Pierre Anthon) war schuld, dass wir die Lust am Leben und an der Zukunft verloren hatten und nicht aus noch ein wussten."
Sollte man solch ein Buch unseren Kindern vermitteln? Ich sage NEIN!

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