Dienstag, 3. Juni 2014

Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz

467 S., Aufbau, TdW, 1982

Döblins "Berlin Alexanderplatz" ist ein Klassiker, den man gelesen haben muss. Dennoch tat ich mich lange Zeit schwer mit dem Buch und es hat auch eine halbe Ewigkeit gebraucht, bis ich den Stoff bewältigt hatte.Nun bin ich froh, mich rangewagt zu haben, denn es lohnt sich wirklich.

Döblins Held Franz Biberkopf ist kein Held im wirklichen Sinne. Aus der Haftanstalt Tegel, in der er wegen Totschlags an seiner Geliebten mehrere Jahre gesessen hat, entlassen, will er ein neues, aufrechtes Leben beginnen - "anständig" bleiben, wie er selbst es nennt.

Anfangs gelingt es ihm halbwegs. Er findet Freunde, die ihm zu einer Stellung verhelfen, er verkauft Zeitungen, lernt nette Frauen kennen. Aber leider wird er bereits frühzeitig um Geld betrogen. Das belastet ihn so sehr, dass er doch auf die schiefe Bahn gerät. Irgendwie unfreiwillig, aber ziemlich naiv, steht er Schmiere bei einem Einbruch und in Folge dessen wird er von einem Mittäter unter ein Auto gestoßen und er verliert einen Arm dabei.

Reinhold, der Täter, war früher ein guter Bekannter, dem Franz zu sehr in sein Liebesleben reingeredet hat. Damit hat er ihn zum Feind und diese Beziehung wird ihm am Ende sehr zum Verhängnis. Franz wird Verdächtiger in einem Mordfall. Das ist zuviel für ihn, handelt es sich doch bei dem Opfer um seine geliebte Mieze, die für ihn anschaffen ging. Er verliert seinen Lebensmut und hört im Gefängnis einfach auf zu essen.

Der Leser begleitet Franz Biberkopf durch Höhen und Tiefen. Man drückt ihm die Daumen auf seinem Weg, anständig zu bleiben und versteht ihn doch irgendwie, wie schwer es ist unter widrigen Umständen. Das Anständigsein ist überhaupt ein Schlüsselbegriff des Romans und charakterisiert Verhaltensweisen, die in der Gesellschaft der Endzwanziger (der Roman spielt 1928) zur bürgerlichen Norm gehören. Moral, Tugend und auch eine gewisse Klassenideologie spiegeln sich hier.

Biberkopf verkennt seine Lage und kann somit nur falsch handeln. Auch sein prekärer Hang zu den Nazis ist Folge dieser Fehleinschätzung. Und da diese bis zum Ende Bestand hat, wird dort der Tod zum Erzähler, zum Aufdecker.

Dennoch endet das Buch nicht in einer Katastrophe, sondern bleibt offen und gibt Franz Biberkopf eine neue Chance - wiedergeboren zu einem neuen Menschen, in der Hoffung, die Lehren des Lebens angenommen zu haben.

Stilistisch muss man sich in den Roman erst einlesen. Die gossenartige Chargonsprache ist schwer zu lesen. Auch ist es manchmal schwer zu erkennen, wann reale Handlung sich mit Gedanken oder Träumen abwechselt. Aber das gibt sich mit der Zeit und als Leser weiß man, dass die Geschichte nur so erzählt werden konnte, um auch authentisch zu sein.

Von mir eine unbedingte Leseempfehlung - auch, wenn der Anfang schwer fällt.

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